44. Glaubensbrief - Januar 2010   PDF-Zeichen als PDF-Datei (134 kB)

Zeichen der Hoffnung

Vielleicht sagt ihr: „Der ist nicht ganz gescheit!“, wenn ich behaupte: Ich sehe überall in unserer heutigen Welt Zeichen der Hoffnung. Ich glaube nicht, dass die Welt immer schlechter wird.
Wo sind diese Zeichen der Hoffnung?

Frieden

Ohne die Angst vor einem ständig
möglichen Bombenalarm leben dürfen.

1. Wir leben in einer Welt, in der (relativ zu früher) weithin Friede herrscht.
Die Welt heute eine friedvolle Welt?? höre ich fragen und zweifeln. Aber ja, relativ zu früher ist heute weithin „Friede auf Erden“. Im vergangenen Jahrhundert setzten zwei Weltkriege die Welt in Flammen. Atombomben wurden auf Städte abgeworfen. Und in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts standen sich die zwei Supermächte bis an die Zähne bewaffnet gegenüber. Ein kalter Krieg, der in der Kubakrise und öfter um ein Haar in einen dritten Weltkrieg gemündet hätte. „Friede“ bestand in einem Gleichgewicht des Schreckens.

Diese Vergangenheit muss man bedenken, wenn man von unserer Zeit als einer Zeit relativen Friedens spricht. Wir haben wirklich „Schwerter zu Pflugscharen“ umgeschmiedet, wenn auch noch leider allzu viele Schwerter übrig sind.

Demokratie

2. Zweites Zeichen der Hoffnung: der Zusammenbruch der Diktaturen.
Hier ist natürlich in erster Linie der Zusammenbruch der kommunistischen Diktaturen in den Jahren 1989 bis 1991 zu nennen. Das riesige Sowjetreich mit all seinen Vasallenstaaten brach zusammen, ohne dass ein Tropfen Blut geflossen wäre. Der Warschauer Pakt löste sich auf, die ehemaligen Mitglieder drängen großenteils in die EU und in die NATO.
Und die Christen waren an diesem Sturz der kommunistischen Diktaturen maßgeblich beteiligt. Der Papst (Johannes Paul II.) hat in seinem Heimatland Polen Stimmung gegen den Kommunismus gemacht. Und in der damaligen DDR waren es vor allem protestantische Christen, die in den Leipziger Montagsgesprächen und überall im Land eine Protestbewegung entfachten, die schließlich zum Flächenbrand wurde. Geblieben sind in Asien das kommunistische China und Vietnam sowie Nordkorea. Aber auch in China ist die schlimmste Zeit der Christenverfolgung vorbei. Die Situation der christlichen Kirchen wird von Jahr zu Jahr erträglicher.

Doch nicht nur in der kommunistischen Welt wurden die Diktaturen gestürzt. Südkorea: die Diktatur wurde überwunden, der Christ Kim Dae Chung wurde demokratisch gewählter Ministerpräsident. Philippinen: das diktatorische System von Präsident Marcos wurde durch eine Revolution hinweggefegt. Chile: der menschenverachtende Diktator Pinochet wurde vom Sockel gestürzt, ebenso in Paraguay der Diktator Stroessner und in Argentinien die Schreckensherrschaft der Generäle. Das sind einige Beispiele, die Schlagzeilen machten, es gibt gewiss noch viele andere. Natürlich existiert auch der umgekehrte Fall von neuen Diktaturen, doch die Tendenz der Zeit geht weg von der Diktatur in Richtung Demokratie. Das scheint mir gewiss ein Zeichen der Hoffnung zu sein.

Vereinte Nationen

3. In der einen Welt, die nicht mehr in zwei Machtblöcke geteilt ist, schälen sich mehr und mehr die Vereinten Nationen als globale Ordnungsmacht heraus. Gewiss sind das erst Ansätze, aber es gibt viele Krisengebiete, in denen die Vereinten Nationen für Ordnung und Frieden sorgen. In der Zeit des kalten Krieges war es die Sowjetunion, die durch ihr ständiges „Njet!“ im Sicherheitsrat die meisten Aktionen blockierte. Doch heute haben die UN mehr und mehr wirkliche Macht, wenn ihnen auch immer wieder ihre Grenze gezeigt wird, wenn sie der amerikanischen Politik in die Quere kommen.

Universales Christentum

Weiß und Farbig entdecken das Miteinander.

4. Ein gewaltiges Zeichen der Hoffnung: das Christentum wird international. Es ist nicht mehr auf die „weißen“ Völker Europas, Amerikas und Australiens beschränkt. Die Mehrzahl der Christen lebt heute in der sogenannten Dritten Welt – oder sagen wir: der südlichen Hemisphäre. Und diese Christen emanzipieren sich von der Vorherrschaft der europäischen oder amerikanischen Christen. Für die katholische Kirche: der Papst stammt zwar noch nicht aus der Dritten Welt, aber er ist seit 1978 kein Italiener mehr. Wer den langsamen Schritt der katholischen Kirche kennt, wird das zu würdigen wissen. Die jungen Kirchen sind keine Kolonialkirchen mehr, sondern zeigen ihr eigenes Profil. Sie nehmen nicht nur, sondern geben auch.

Glaubensschwund

5. Zugegeben: das sind alles Zeichen der Hoffnung in unserer Zeit. Doch dann kommt die große Frage: Was ist mit dem unaufhaltsamen Glaubensschwund in den Ländern des Westens? Wie ich im vorigen Glaubensbrief schrieb: jedes Jahr tritt eine ganze Großstadt aus der Kirche aus. Und die drin bleiben, sind oft nur dem Namen nach Christen. Natürlich kann man den Glauben nicht messen. Aber praktisch alle religiösen Parameter, in denen sich der Glaube ausdrückt, zeigen negative Trends. Das ist nun wirklich kein Zeichen von Hoffnung, und kommt es am Ende nicht auf diesen gelebten Glauben an, und nicht auf Strukturen?
So ist es. Freilich darf man Glaube nicht zu eng fassen. Wenn die Menschheit humaner wird, den Krieg und die Diktaturen ächtet, und eine globale Organisation formt, die Gerechtigkeit und Frieden garantieren soll, dann ist das ein ethischer Fortschritt der Menschheit, der sehr wohl mit den Grundwerten des christlichen Glaubens zu tun hat.
Und auch was den Glauben im engeren Sinn angeht: Wie das Christentum sich in die Dritte Welt verlagert, so auch der Glaubenseifer. Ich feierte in Bombay eine heilige Messe. Es war ein Werktagnachmittag. Aber zu meinem Erstaunen war die Kirche so voll wie bei uns am Sonntag. Auch geistliche Berufe gehen aus diesen Ländern zahlreich hervor.

Zeichen der Hoffnung? Wer die Augen aufmacht, kann sie auch in unserer Zeit entdecken.

Dass ihr im Neuen Jahr 2010 Zeichen der Hoffnung in eurem Leben entdecken könnt, wünscht euch

Euer Karl Neumann