Karl Neumann: Glaubenskurs Online20. Glaubensbrief, Juli 2004:

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Noch einmal: der Galgen

Ich war als Kind immer froh, wenn der schwarze Karfreitag vorbei war und wir zwei Tage später Ostern feierten. Aber warum jetzt in unseren Glaubensbriefen wieder zum Karfreitag zurückkehren, wo wir doch sozusagen Ostern schon hinter uns haben?

Weil die Jünger Jesu erst im Licht seiner Auferstehung verstanden, was am Kreuz passiert war. Und wir machen es ihnen in diesem Glaubenskurs ein wenig nach. Wenn ich ehrlich sein will: Ich hätte ein schlechtes Gewissen, wenn unser 17. Glaubensbrief "Jesus endet am Galgen" alles wäre, was ich über das Kreuz Jesu zu sagen hätte.

Der Fremde

Es war einige Tage nach dem Tod Jesu. Zwei von seinen Jüngern gingen weg von Jerusalem, weg von dem Platz, wo Jesus wirklich am Galgen geendet war. Sie waren verzweifelt, denn sie hatten nie gedacht, dass die ganze Sache mit Jesus so enden würde. Statt das Reich Gottes aufzurichten, hatte er Unbeschreibliches mitmachen müssen: man hatte ihn gefangen, bespuckt, verspottet, hingerichtet. Und seine Anhänger waren weggelaufen wie eine Herde Schafe, in die der Wolf fährt.

Schlimm genug war dieses Unglück, doch am schlimmsten der nagende Zweifel: Kann so einer der Messias gewesen sein? Was denkt Gott sich bei der ganzen Sache? Kann ihm so eine Riesenpanne passieren?

Batik 'EMMAUS' von Georg Michael Ehlert - der LINK führt zu seinen Bild- und anderen Meditationen auf www.bruedermaria.de
Batik: Georg Michael Ehlert

So reden sie miteinander. Da geht ein Fremder mit ihnen, der den gleichen Weg hat. Er schließt sich ihnen an; es ist ja auch sicherer, miteinander zu gehen - in einer Gegend, wo man so viel von Überfällen hört.

Der Fremde hört sich das alles an, und sie staunen: er hat eine Erklärung für diese schrecklichen Ereignisse. Er hat eine Antwort auf ihre bohrenden Fragen.

Die Antwort scheint ganz einfach: Es steht schon seit Jahrhunderten in der Bibel geschrieben, dass der Messias leiden müsse. Es ist also der Wille Gottes und kein Betriebsunfall. Der schimpfliche Tod ist kein Beweis, dass Jesus nicht der Messias wäre. Im Gegenteil. Der Fremde sagt ihnen: "Musste nicht der Messias all das erleiden, um so in seine Herrlichkeit zu gelangen?"

Sie hatten natürlich auch schon vorher die Heilige Schrift gelesen, aber dieser Fremde öffnete ihnen die Augen. Sie entdeckten jetzt Dinge in der Schrift (des Alten Testamentes, denn das Neue gab es zu jener Zeit noch nicht), die ihnen vorher nie aufgefallen waren.

Wir ahnen es bereits: der fremde Wanderer, der mit ihnen ging, war der Auferstandene. Die Geschichte (Lukas 24,13-35) fasst wie in einem Brennpunkt die Erfahrung der Jünger nach Jesu Tod zusammen: im Licht der Auferstehung lesen sie die Schrift mit neuen Augen. Im Licht des Auferstandenen verstehen sie jetzt zum ersten Mal den tieferen Sinn seines schrecklichen Todes.

Der Äthiopier

Aber die Fragen gehen weiter. Sein Tod war der Wille Gottes, gut und schön. Doch warum wollte Gott etwas so Schreckliches?

'DAS KREUZ' - Gemälde von Peter Paul Rubens
 

Auch da forschten die Jünger in den Heiligen Schriften. Was fanden sie da? Auch hier gibt es eine Geschichte, die uns wie durch einen Spalt in jene frühe Zeit hineinblicken lässt.

Ein Äthiopier, der als gottesfürchtiger Heide eine Wallfahrt nach Jerusalem gemacht hatte, war auf dem Weg nach Hause. Er saß auf seinem Reisewagen und las den Propheten Jesaja. Da ging ein Jünger mit Namen Philippus den gleichen Weg, hörte ihn den Propheten Jesaja lesen (damals las man laut!) und fragte ihn: "Verstehst du auch, was du da liest?" Der Äthiopier las gerade das 53. Kapitel des Jesajabuches, das letzte der Gottesknechtslieder. Philippus stieg zu ihm auf den Wagen und erklärte ihm nun, dass dieser geheimnisvolle Gottesknecht in Jesus von Nazareth gekommen sei. Der Äthiopier ließ sich überzeugen. Er kam zum Glauben und ließ sich taufen.

Der Knecht

Dieses Lied vom Gottesknecht scheint für die ersten Christen ein Schlüssel gewesen zu sein, um dem schmählichen Tod Jesu einen Sinn abzugewinnen. Ganz wie der am Galgen endende Jesus bei vielen Juden erledigt war, ein Verachteter, ja von Gott selbst Geschlagener, so stand es exakt bereits in der alten Prophezeiung vom Gottesknecht:

Wie einer, vor dem man das Gesicht verhüllt, war er verachtet;
wir schätzten ihn nicht. ...
Wir meinten, er sei von Gott geschlagen, von ihm getroffen und gebeugt.
Doch er wurde durchbohrt wegen unserer Verbrechen,
wegen unserer Sünden zermalmt.
Zu unserm Heil lag die Strafe auf ihm, durch seine Wunden sind wir geheilt.

Der Gottesknecht schien also nur von Gott geschlagen. Dass die Zeitgenossen ihn verachteten und nicht schätzten, war eine gewaltige Verkennung. In Wirklichkeit wurde er nicht wegen seiner eigenen Sünden geschlagen, sondern "wegen unserer Verbrechen". Es war also ein Sühneleiden und ein Sühnetod. Und es war ein erlösender Tod: "Durch seine Wunden sind wir geheilt".

Ja, es war schrecklich, was Jesus am Kreuz mitgemacht hat – so schrecklich, wie Mel Gibson es uns in seinem blutigen Film vor Augen führt. Aber es hatte einen Sinn. Sein Blut ist nicht umsonst geflossen. Wem der Auferstandene die Augen geöffnet hat, sieht den Tod Jesu mit neuen Augen. Er sieht nicht nur den Kreuzesgalgen, er sieht den Erlöser am Kreuz hängen, er sieht ihn freiwillig sterben "für unsere Sünden" und "zu unserem Heil".

Haben Sie schon einmal daran gedacht, dass Jesus auch für Ihre Sünden gestorben sein könnte?

Ihr Karl Neumann
neumann@glaubensinformation.de