69. Glaubensbrief - Mai 2012 als PDF-Datei (139 kB)
Friedrich Spee:
Hexenjagd
Um die Zeit des Dreißigjährigen Krieges, also im siebzehnten Jahrhundert, schien das christliche Europa von einem kollektiven Wahnsinn befallen. Nicht genug damit, dass der lange und unvorstellbar grausame Krieg einen großen Teil der Bevölkerung weggerafft hatte – die hysterische Hexenjagd rottete dazu noch einen Teil der weiblichen Bevölkerung aus. In manchen Gegenden Deutschlands wütete man so lange, bis fast alle Frauen eines Dorfes als Hexen verbrannt waren.
Man spricht so gern vom finsteren Mittelalter, aber der Höhepunkt des Hexenwahns lag nicht im Mittelalter, sondern in der frühen Neuzeit. Und von ihm waren sowohl katholische wie protestantische Gebiete befallen. Wie konnte jemand in den Verdacht kommen, eine Hexe zu sein? Es
genügte, dass Es gab kein Entrinnen mehr War eine Frau (die allermeisten der Angeklagten waren Frauen) einmal auf diese Weise in den Verdacht geraten, dann gab es praktisch kein Entrinnen mehr. Sie leugnete, eine Hexe zu sein? Aber das war ja gerade die Art dieser verstockten Teufelsbräute, alles zu leugnen! Der nächste Schritt war daher die Folter. Grausame, unmenschliche
Foltermethoden, bei denen einige bereits starben. Man folterte so lange,
bis ein Geständnis erfolgte, und viele der unglücklichen Frauen wollten
lieber sterben als weiter bis aufs Blut gefoltert werden. Sie „gestanden“
dann alles, auch die hirnverbrannten Dinge, die ihre Peiniger ihnen
insinuierten. Ein achtjähriges Mädchen gestand, drei mal mit dem Teufel
Geschlechtsverkehr gehabt und daraus zwei Teufelskinder geboren zu haben.
Eine Frau gestand, sie habe auf dem Friedhof die Leiche eines jüngst
verstorbenen Kindes ausgegraben und sein Herz verzehrt. So hirnverbrannt
diese Dinge waren – es war das, was die Herren Hexenrichter hören wollten.
Der „Hexenhammer“ Wer konnte diesem Wahnsinn Einhalt gebieten? Die Kirche leider nicht,
denn es war ein Papst, Innozenz VIII., der im Jahre 1484 mit einer Bulle
den Hexenwahn kirchlich absegnete. Er gab diese Bulle seinen „geliebten
Söhnen“, den Inquisitoren Heinrich Kramer (lat. Institoris) und
Jakob Sprenger, mit auf ihre Reise nach Deutschland. Gewiss gab es bei Geistlichen beider Konfessionen auch da und dort Widerstand gegen die Hexenjagd, doch es kam vor, dass ein solcher Rufer in der Wüste selbst der Komplizenschaft mit den Hexen bezichtigt wurde und als Hexer auf dem Scheiterhaufen landete. Friedrich Spee – von dem wir jetzt endlich reden wollen – musste also vorsichtig sein und gab seine wichtige Schrift gegen den Hexenwahn anonym heraus. Spee, der Jesuit war, hatte nämlich immer das Beispiel eines Ordensbruders vor Augen, dem genau das geschehen war. Spee ging selbst in die schmutzigen Kerker
Geboren wurde Friedrich Spee aus dem Geschlecht der Grafen Spee auf der
Insel Kaiserswerth bei Düsseldorf, im Jahre 1591. Es wäre viel über ihn zu
sagen, aber ich möchte mich hier auf seinen Kampf gegen den Hexenwahn
konzentrieren. Hier ist vor allem seine Schrift „Cautio criminalis“
wichtig (auf deutsch etwa: Rechtliche Bedenken wegen der Hexenprozesse;
1631 erschienen). Er lässt sich darin klugerweise nicht auf die
theologische Streitfrage ein, ob Hexen existierten oder nicht, sondern
klagt das juristische Verfahren der Hexenprozesse an. Er trifft die
vernichtende Feststellung: „Ob fromm oder verdorben, zuversichtlich oder
ängstlich, geständig oder standhaft leugnend, verurteilt werden sie doch
alle. Aber dann möchte ich um der Liebe Gottes willen wissen, wie hier
irgend jemand, er sei noch so unschuldig, soll entrinnen können“. Spee hat
viele angebliche Hexen in ihrem Kerker, wo sie in ihrem eigenen Kot lagen,
und auf ihrem Gang zum Scheiterhaufen begleitet. Und er stellt fest: „Ich
habe noch keine einzige gefunden, die wirklich schuldig war“. Also
brannten die Scheiterhaufen mit lauter Unschuldigen: ein gigantisches
Verbrechen. Am schlimmsten waren oft die Beichtväter Mehr noch als die Landesherren und Hexenrichter klagt Spee die Beichtväter der Hexen an. Bei ihnen sollten diese gequälten Frauen Hilfe und Trost in ihren letzten Stunden finden. In einer ehrlichen Beichte würden sie die Wahrheit erfahren, nämlich dass sich diese Angeklagten vor Gott in aller Regel unschuldig wissen. Doch allzu oft ist der Beichtvater der schrecklichste Quäler der Angeklagten. Für ihn steht von vornherein fest, dass die Angeklagte all die schrecklichen Verbrechen wirklich begangen hat, die man ihr zur Last legt. Und er setzt alle Mittel der Religion ein, um dieses Geständnis aus ihr herauszupressen – ein Geständnis, das gegen ihr Gewissen geht. Eine Angeklagte brach unter all den Qualen und Foltern tot zusammen. Kommentar ihres Beichtvaters: „Der geschieht recht. Ihr hat der Teufel das Genick umgedreht!“ Spee kritisiert nicht nur die Hexenprozesse, er macht auch konkrete Vorschläge für ein gerechteres Vorgehen:
Ich war erschüttert Ich war erschüttert, als ich diesen Bericht von jenem Massenwahn las, der ganze Teile der Bevölkerung ausrottete. Und das Schrecklichste: diese Massenmorde wurden im Namen der christlichen Religion begangen. Es waren Beamte der Inquisition, die im Verein mit staatlichen Stellen die sogenannten Hexen aufspürten. Man muss es einmal klar sagen: es gibt nichts, das so blutrünstig sein kann wie religiöser Fanatismus. Ist die heutige Zeit humaner geworden? Ich glaube schon – wenn wir uns nur die Rechte der Angeklagten ansehen. Aber es bleibt noch viel zu tun. Dafür Euch allen Phantasie und Mut! Euer |