68. Glaubensbrief - 21. März 2012   PDF-Zeichen als PDF-Datei (81 kB)

Charles de Foucauld (2):
Hältst du die Wüste aus?
   

Mann in der marokkanischen Steppe
 

Aus dem Leben Charles de Foucaulds hat mich eine Episode ganz stark beeindruckt. Darum möchte ich sie Euch in einem eigenen Glaubensbrief vorstellen. Es war eine Episode noch vor seiner Bekehrung.

Charles de Foucauld hatte sich als Erforscher Marokkos einen Namen gemacht und dafür die Goldmedaille der Geographischen Gesellschaft Frankreichs erhalten. Man gab ihm zu Ehren ein Bankett, und der berühmte Altmeister der Geographischen Gesellschaft, Henri Duveyrier, lud ihn ein, neben ihm zu sitzen.

Was steckt hinter diesem Gesicht?

„Was fällt Ihnen hier auf“, fragte Duveyrier, „wenn Sie die Gesichter an dieser Tafel betrachten?“
„Was soll mir schon auffallen?“
„Sie haben die Sahara gesehen, mein lieber Foucauld. Nun schauen Sie sich die Gesichter an, eines nach dem anderen, und sagen Sie mir, ob Sie ein einziges darunter gefunden haben, das die Einsamkeit der Wüste ertragen könnte, ohne in seiner Bedeutungslosigkeit zu einem leeren Schatten zu werden.“
„Merkwürdiger Gedanke, Duveyrier. Es ist doch keiner von all den Damen und Herren je gezwungen, solche Einsamkeit zu ertragen.“
„Woher wollen Sie das wissen? Keiner von allen hier, meinen Sie, muss Einsamkeit ertragen können? Ich sage Ihnen: jeden Tag, ja jede Stunde kann die Hand des Schicksals einen von uns, oder uns alle, in die tiefste Einsamkeit stürzen, aus der weder der exzellente Wein, noch die Trüffel, die hier gereicht werden, uns befreien können.“
Foucauld ließ seinen Blick in die Runde der lachenden und plaudernden Tafelgäste schweifen. Er musste Duveyrier Recht geben, der sagte:
„Nichts, nicht wahr? Kein einziges Gesicht, von dem man annehmen möchte, die Person, die hinter diesem Gesicht steckt, habe auch nur ein einziges Mal darüber nachgedacht, wie es wäre, wenn sie der Unendlichkeit allein gegenüberstehen müsste, wie das einmal unser aller Schicksal sein wird.“

Das ging mir unter die Haut

Wer hält die Einsamkeit der Wüste aus?
 

Das ist mir unter die Haut gegangen. Und ich habe mich gefragt: Kann ich die Einsamkeit ertragen, die auf jeden Menschen wartet – spätestens dann, wenn er alles zurücklassen muss und er die große Reise ganz allein antreten muss? Hat der alte Duveyrier nicht Recht: entscheidet sich nicht daran der Wert eines Menschen?

Und jetzt frage Dich selbst: Halte ich die Einsamkeit aus, die mich mit den letzten Fragen meines Lebens konfrontiert, oder denke ich lieber nicht daran? Betäube ich solche Fragen mit den Narkotika und dem Lärm, denen wir überall ausgesetzt sind? Ich habe Achtung vor jedem Menschen, der in diesem Sinn die Einsamkeit der „Wüste“ aushält, sei er Christ oder Moslem oder Agnostiker.

Vom Christentum weiß ich allerdings, dass es ideale Voraussetzungen hat, um die Einsamkeit der inneren Wüste auszuhalten. Im Christentum gibt es einen inneren Freund, der in uns wohnt und der uns nicht verlässt – es sei denn, wir verlassen ihn. Es ist der auferstandene Christus, der im Herzen des Glaubenden wohnt. Besonders im Johannesevangelium könnt Ihr das nachlesen, oder im Galaterbrief: „Ich lebe, doch nicht ich – nein, Christus lebt in mir“ (Gal 2,20).

Wie wäre es, wenn Du jetzt in der Fastenzeit ein wenig äußere und vor allem innere Stille in Dir schaffst, und in dieser Stille auf den Freund in Dir achtest und mit ihm sprichst? Dann wirst Du zu den Menschen gehören, die die absolute Einsamkeit der Wüste aushalten.

Das wünscht Dir

Karl Neumann