65. Glaubensbrief - 27. Nov. 2011 als PDF-Datei (111 kB)
Dietrich Bonhoeffer:
Die billige Gnade
Ich habe eine Zeitlang in der Oberpfalz gelebt: im nördlichen Bayern. Dort, in Flossenbürg, hatten die Nazis ein Konzentrationslager errichtet. Wenn ich vor einer Betonwand in jenem KZ stand und das Schild las: „An dieser Stelle wurde am 9. April 1945 der Theologe Dietrich Bonhoeffer von den Nazis ermordet“, lief mir jedes Mal ein kalter Schauer über den Rücken. Wer war Dietrich Bonhoeffer? Nicht weit von hier steht eine
evangelische Kirche. Ihr Name: „Dietrich-Bonhoeffer-Kirche“. Bonhoeffer
ist in den letzten Jahrzehnten zu einer Kultfigur geworden, und zwar über
alle Konfessionsgrenzen hinweg. Die Ähnlichkeit zu P. Alfred Delp, dessen Bild ich im letzten Glaubensbrief zeichnete, ist frappierend. Beide waren überzeugte Christen und Theologen, beide im Widerstand gegen Hitler engagiert. Beide wurden von der Gestapo verhaftet und verbrachten eine Zeit im Gefängnis. Dort schrieb Delp mit gefesselten Händen seine Notizen „Im Angesicht des Todes“. Die Briefe Bonhoeffers aus dem Gefängnis wurden später unter dem Titel „Widerstand und Ergebung“ herausgegeben und sind das einflussreichste „Werk“ Bonhoeffers. Und schließlich: beide wurden im Jahre 1945, also noch kurz vor Kriegsende, von den Nazis hingerichtet. Dietrich Bonhoeffer ist also das protestantische Pendant zu dem Katholiken Alfred Delp, in seiner Wirkung wohl noch weitreichender und tiefgreifender als dieser. Eines von Bonhoeffers Werken, das mir am liebsten ist, ist sein kleines Buch „Nachfolge“ und darin besonders der erste Aufsatz „Die billige Gnade“:
Ist das nicht die Haltung, die heute nicht nur in die lutherische, sondern auch in die katholische und in andere Kirchen eingedrungen ist? Vielleicht nicht mehr unter dem Stichwort der Gnade und der Rechtfertigung des Sünders aus Gnaden allein. Aber unter anderen Stich- und Schlagworten. Man wollte weltoffen werden und die Welt mit der Kraft des Evangeliums durchdringen. Stattdessen ist oft umgekehrt die Welt in die Kirche und in die Orden eingedrungen. Billige Gnade! So wie man zur Zeit Bonhoeffers die richtige und
biblische Lehre von der Rechtfertigung aus Gnade allein durch eine kleine
Verdrehung, die den meisten kaum auffiel, zur billigen Gnade
uminterpretierte (wie Bonhoeffer zeigt), so interpretiert man heute die
richtige und biblische Aussage von dem Gott, der die Liebe ist, um zu
einem billigen Trostpflaster, zu einem Gott, der nur noch als Bestätigung
des Menschen gesehen wird. Liebe Freunde, in diesen Tagen beginnt der Advent, die Zeit des Wartens auf den Herrn. Zu Weihnachten wünsche ich Euch das Geschenk Seiner Liebe, Seiner teuren Liebe. Euer |