64. Glaubensbrief - 14. Sep. 2011   PDF-Zeichen als PDF-Datei (181 kB)

Alfred Delp: Im Angesicht des Todes
   

Als Buch veröffentlichte Reflexionen,
die Delp während seiner Gestapo-
Haft mit gefesselten Händen schrieb.

„Ich sitze da oben auf meiner Klippe und warte, ob und bis jemand kommt und mich hinunter stößt“. Das kommt Dir wie ein böser Traum vor, aus dem Du schweißgebadet erwachst. Aber bei dem, der dies schrieb, war es leider kein bloßer Traum. Alfred Delp (so hieß der Mann) saß im Gefängnis der Nazis in Berlin und wartete auf sein Urteil vor dem Volksgerichtshof, das dann auch tatsächlich ein Todesurteil war. Am 2. Februar 1945 kam schließlich der, welcher ihn „von seiner Klippe hinunter stürzte“, d. h. es war noch ein schlimmerer Tod als das Hinabstürzen. Hitler hatte getobt: „Ich will sie hängen sehen wie das Vieh!“ Sie - das waren seine Gegner, vor allem die Attentäter des 20. Juli 1944. Alfred Delp hatte zwar in keiner Weise am Attentat gegen Hitler teilgenommen oder auch nur davon gewusst. Aber er hatte Kontakt zu der Widerstandsgruppe des Kreisauer Kreises um Helmut Graf Moltke gehabt. Dieser Kreis hatte bei den Jesuiten angefragt, um einen Soziologen zu erhalten, der sich an der Planung eines besseren Deutschland nach Hitler beteiligen könnte. Denn jeder vernünftige Mensch konnte damals schon sehen, dass der Krieg verloren war. Also nahm der Jesuitenpater Alfred Delp mit Erlaubnis seiner Ordensoberen diese Aufgabe wahr.

Er schrieb mit gefesselten Händen

Jetzt saß Alfred Delp, an beiden Händen gefesselt, in seiner Todeszelle. Mit Hilfe von guten Freunden war es ihm gelungen, einige Bogen schmutziges Papier in die Zelle zu schmuggeln. Auf diese Blätter schrieb er mühsam mit gefesselten Händen seine Gedanken, die nach seiner Ermordung als schmales Buch veröffentlicht wurden. Der Titel: „Im Angesicht des Todes“. Ich habe sie gerade als Hörbuch angehört. (Ich kann deshalb leider keine Seitenzahlen angeben.)

Delp analysiert die tiefen und z. T. weit zurück liegenden Ursachen für das apokalyptische Chaos am Ende des Krieges: die Trümmerwüste der deutschen Städte, die Millionen von Toten und Ermordeten. Aber auch die Kirche braucht eine grundlegende Reform. Sein Urteil über den Traditionskatholizismus ist vernichtend:
„Und die so unerschütterlich sicheren Gläubigen! Sie glauben an alles, an jede Zeremonie und jeden Brauch, nur nicht an den lebendigen Gott.“
Sie leben in einer katholischen Sonderwelt und können das Lebensgefühl des heutigen Menschen nicht begreifen:

Von der Arroganz zur Ehrfurcht

Kritik aus Sorge um die Kirche

Das ist eine harte Kritik an der (katholischen) Kirche. aber es ist keine Kritik aus Lust am Kritisieren, sondern sie kommt aus brennender Sorge um die Kirche - von einem Mann, der sie im Angesicht des Todes schreibt. Er hat keinen Posten mehr zu verlieren – auch nicht in der Kirche - und kann so schreiben, was ihm im Angesicht Gottes richtig und notwendig scheint.

Vor mehr als sechzig Jahren wurde dies geschrieben. Inzwischen ist manches von der stolzen Fassade der Kirche abgefallen. Aber ist damit P. Alfred Delps Forderung schon erfüllt: „Weg von der Anmaßung, hin zur Ehrfurcht“? Ich glaube, nicht. Aber darüber mögt Ihr selbst urteilen.

Euch allen einen frohen Gruß

Euer
Karl Neumann