60. Glaubensbrief - Mai 2011   PDF-Zeichen als PDF-Datei (290 kB)

Papa Gott

Kennt Ihr das Buch „Die Hütte“? Wenn Du Bücher über den Glauben langweilig findest, wirst Du doch dieses Buch gern in die Hand nehmen. Denn was es über Gott sagt, ist in eine spannende Geschichte verpackt. Warum soll Gott ein Mann sein? In dieser Geschichte ist er eine Frau. Warum soll Gott ein Weißer sein? Hier ist er eine Negerin. Es geht sehr irdisch zu in dieser Hütte, wo man Gott begegnet. Jesus, der auch anwesend ist, nennt Gott einfach „Papa“. Ihr wundert Euch vielleicht: aber genau so hat Jesus in den Evangelien Gott angeredet. Jesus sprach aramäisch, und er redete seinen Vater mit „Abba“ an. Das war ganz ungewöhnlich, denn es bedeutete „Papa“. Und so hat Jesus gelebt: als Sohn, dessen Speise es war, den Willen seines Vaters zu tun (Johannes 4,34).

"Lass mich auch mal, Papa!"
Foto: sunny33 / pixelio.de

Jesus war der einzigartige Sohn des Vaters, aber er wollte auch uns teilhaben lassen an diesem engen vertrauten Verhältnis, das er zu Gott hatte. Wir sollten seine Brüder und Schwestern werden; auch wir sollten sprechen „Abba, lieber Vater“ (Römerbrief 8,15).

Daraus ergibt sich: christliches Leben ist ein Leben der Kindschaft. So wie Jesus dieses Leben der Kindschaft gelebt hat, so sollen auch wir es leben. Wie das konkret aussieht, darüber sagt Jesus vieles in der Bergpredigt. Frag Dich einmal, ob Du so lebst. Leben in der Kindschaft bedeutet vor allem eine große Ruhe und Sicherheit.

Betrachtet die Vögel

Sie kommt aus einem unbedingten Vertrauen auf den Vater. „Macht euch keine Sorgen um den morgigen Tag“, rät uns Jesus in der Bergpredigt. Du hast doch einen Vater, der über dir wacht. Er ernährt die Vögel des Himmels, er kleidet die Lilien des Feldes. Um wie viel mehr euch, seine Kinder. (Matthäus 6,25-34). Wenn du zu ihm betest, brauchst du nicht viele Worte zu machen. Dein Vater weiß ja schon, was du nötig hast, bevor du ihn bittest (Matthäus 6, 7f). Und wenn du betest, schiele nicht auf den Eindruck, den du dabei auf die Leute machst. Sondern schließ die Tür deines Herzens, und dann bete zu deinem Vater im Verborgenen. Und dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten (Matthäus 6,5f).

So hat Jesus gebetet, so hat Jesus gelebt, und so sollst auch Du ein Leben in der Kindschaft führen.

Jesus betet im
Garten Getsemani
Foto: Holzrelief als
Kanzeldekoration in
einer Hamburger Kirche

Jetzt verstehst Du auch, warum Jesus die Kinder seliggepriesen hat. Nicht weil sie so unschuldig wären, nicht weil sie alle Tugendbolde wären. Sondern weil sie am besten wissen, wie man mit einem Vater lebt, den sie wie Jesus „Papa“ nennen. „Menschen wie ihnen gehört das Himmelreich“, sagt Jesus (Matthäus 19,14). Wir Erwachsenen haben also auch noch Chancen! – wenn wir im Geist der Kindschaft leben.

Keine blauäugige Naturromantik

Zugegeben: manches, was Jesus in der Bergpredigt über die Vögel des Himmels und das sorglose Leben im Vertrauen auf den Vater sagt, mag naiv klingen. Auch die Vögel des Himmels werden schon einmal von einem Jäger geschossen, auch die Blumen des Feldes schon mal von einer Kuh gefressen. Eine Welt ohne Tod und Tragik gibt es nicht. Doch man würde Jesus missverstehen, wollte man seine Worte so deuten. Denn wenn einer Tod und Tragik kannte, dann er. Die große Prüfung seines Vertrauens auf den Vater kam in seinem Leiden. Noch am Ölberg in tiefer Todesangst fand er das Wort „Abba“ (Markus 14,36). Vielleicht verstand er seinen geliebten Vater nicht, aber er war ihm „gehorsam bis zum Tod, ja, bis zum Tod am Kreuz“ (Philipperbrief 2,8).

Wenn dieser Brief in Eure Hände kommt, ist Osterzeit. An Ostern werden in jedem Jahr Erwachsene getauft. Weil Taufe heißt: das alte Leben begraben und in enger Gemeinschaft mit dem auferstandenen Herrn ein neues Leben beginnen. Neu geboren werden sozusagen (Johannes 3,3). Als Kind Gottes. Damit Du Dein ganzes Leben im Geist der Kindschaft leben kannst.

Das wünscht von Herzen

Euer
Karl Neumann