Führe Du, mildes Licht…
Bist Du meistens gut drauf? Oder hast Du das auch schon mal, dass Du
das Gefühl hast: Ich wandere wie in einer dunklen Nacht?
Ich sehe den Weg nicht mehr. Weiß nicht, wie ich aus diesem Schlamassel
wieder herauskommen soll.
Zu alledem ist mir auch der Glaube zweifelhaft geworden. Ich sehe nicht,
wie diese Welt, die auf Fressen und Gefressenwerden aufgebaut ist (so
scheint es mir oft), das Werk eines gütigen Gottes sein kann. Ich verstehe
nicht, warum Gott mir so ein Unglück zumutet, gerade mir.
Ich spüre, dass diese Erde meine Heimat nicht ist: „Die Nacht ist finster,
und ich bin fern der Heimat“.
Und dazu ist jetzt noch Dezember: Die Tage sind dunkel und kurz. Es wird
gar nicht mehr richtig hell. Manchmal habe ich das Gefühl: mir fällt die
Decke auf den Kopf.
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John Henry Newman
(1801 - 1890)
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Das Ich, von dem ich schreibe, bin nicht ich persönlich, es kann jeder
sein. Und es sind nicht die Dümmsten und Oberflächlichsten, die spüren:
„Die Nacht ist finster, und ich bin fern der Heimat“. Und die zu dem
„milden Licht“ beten, dass es sie führt.
Ein Gebet wie ein Freund
Der Engländer John Henry Newman hat das gespürt. Und er hat es in ein
Gedicht gekleidet, das ein Gebet ist.
Ich war etwa sechzehn Jahre alt, da habe ich dieses Gebet in einem Buch
entdeckt. Und es hat mich tief beeindruckt. Ja, es hat mich seither durch
mein ganzes Leben begleitet, bis heute. Ich kann es auswendig, obwohl ich
es nie bewusst gelernt habe. Der Verfasser John Henry Newman lebte im 19.
Jahrhundert. Er war ein großer englischer Denker und Theologe. War ein
Mann, der mitten im 19. Jahrhundert schon viele Einsichten der modernen
Zeit vorwegnahm. Ich könnte noch viel über ihn sagen. Aber die Mitte
dieses Glaubensbriefes soll sein Gebet bilden. Und sein Gebet ist sehr
einfach. Hier ist es:
Führe Du, mildes Licht, im Dunkel, das mich umgibt,
führe Du mich hinan!
Die Nacht ist finster, und ich bin fern der Heimat:
führe Du mich hinan!
Leite Du meinen Fuß - sehe ich auch nicht weiter:
wenn ich nur sehe jeden Schritt.
Einst war ich weit zu beten, dass Du mich führtest.
Selbst wollt ich wählen.
Selbst mir Licht, trotzend dem Abgrund,
dachte ich meinen Pfad zu bestimmen,
setzte mir stolz das eigene Ziel.
Aber jetzt - lass es vergessen sein.
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Des Mondes mildes
Licht über einem Moor
Foto: A.Dreher / pixelio.de
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Du hast so lang mich behütet -
wirst mich auch weiter führen:
über sumpfiges Moor,
über Ströme und lauernde Klippen,
bis vorüber die Nacht
und im Morgenlicht Engel mir winken.
Ach, ich habe sie längst geliebt -
nur vergessen für kurze Zeit.
Über sumpfiges Moor…
Das Jugendgebetbuch, in dem ich dieses Gebet entdeckte, zeigte auf der
gegenüberliegenden Seite ein Foto: nächtliche Wiesen oder Moor, von einem
Hochwasser überschwemmt. Der Mond leuchtete über dieser nächtlichen
Landschaft, und sein Licht spiegelte sich in dem weiten Wasser und ließ
die wilde Landschaft silbern erglänzen. Ein Bild, das das Gebet treffend
illustrierte: die finstere Nacht, die verlorenen Wege, das „milde Licht“.
Ich will nicht mehr viel sagen. Das Wichtigste ist ja das Gebet und
nicht der „Senf“, den ich dazu gebe. Du kannst es ja formatieren, wie es
Dir gefällt, und ausdrucken. Und wenn Du Lust hast, regelmäßig beten.
Ich denke bei der Nacht in diesem Gebet auch an die Weih-nacht. Und das
„milde Licht“ in der Dunkelheit ist mir das Licht von Weihnachten.
Dass dieses milde Licht Euch führt, durch das ganze Leben, „bis im
Morgenlicht Engel (Euch) winken“ -
das wünscht Euch zu Weihnachten
Euer
Karl Neumann
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