48. Glaubensbrief - Mai 2010   PDF-Zeichen als PDF-Datei (131 kB)

Feuerzungen
   

Ein Feuer, dem man
sich nicht nähern kann.

Pfingsten fällt in diesem Jahr auf den 23. Mai, also in den Monat dieses Glaubensbriefs. Doch was feiern wir an Pfingsten? Was wir an Weihnachten feiern, wissen die meisten. Bei Ostern wird es schon etwas schwieriger. Und bei Pfingsten? Die meisten zerbrechen sich auch gar nicht lange den Kopf darüber, sie nehmen die freien Tage gerne an und nutzen sie für eine Spritztour im schönen Monat Mai. Sollen sie es ruhig tun. Aber wer ein Christ sein will, sollte anders denken und sich für das interessieren, was er glaubt.

Der Ursprung von Pfingsten

Pfingsten ist ein altes Fest, weit älter als Weihnachten. Ja, es ist sogar älter als das Christentum. Denn es ist ein jüdisches Fest, das bereits in vorchristlicher Zeit gefeiert wurde.
Man feierte es fünfzig Tage nach dem Osterfest (das die Juden Pessachfest nennen). Daher hat es auch seinen Namen: unser Name „Pfingsten“ kommt vom griechischen „Pentekoste“, was schlicht und einfach „der fünfzigste“ (Tag) heißt. Auch die Christen feiern heute noch das Pfingstfest 50 Tage nach Ostern.

Was feierte man?

Ursprünglich war Pfingsten ein Erntedankfest, Dank für den Abschluss der Weizenernte. Doch dann kam ein anderer Sinn hinzu: Israel feierte den Bundesschluss am Sinai. Es feierte das große Geschenk Gottes an sein Volk: die Tora (das Gesetz). Wir können im Buch Exodus nachlesen, welch gewaltige Zeichen diesen Bundesschluss begleiteten (Exodus 19). Das Volk musste sich drei Tage lang vorbereiten und kultisch reinigen.
Am dritten Tag begann es zu donnern und zu blitzen. „Der ganze Sinai war in Rauch gehüllt, denn der Herr war im Feuer auf ihn herabgestiegen“ (Exodus 19,18). Das Volk im Lager begann zu zittern; wer den Berg auch nur berührte, musste sterben.
Das Feuer wird also hier zum Zeichen für den ganz Anderen, den Heiligen. Das Feuer, das Abstand gebietet, vor dem wir zittern und das uns doch fasziniert (tremendum und fascinosum).

Das christliche Pfingsten

Der Geist schenkt ein glühendes
und sprühendes Herz.

Und jetzt das christliche Pfingsten (nach Apostelgeschichte, Kapitel 2):
Wieder zeigt sich Gott im Feuer, doch welch ein Unterschied! Im Alten Bund am Sinai war das Feuer Gottes etwas, dem man sich nicht nahen durfte (nur Moses durfte es). Es war wie der Blitz, der töten kann.
Hier im Neuen Bund hat das Feuer Gottes nichts Gefährliches mehr. Es verteilt sich in kleine Flämmchen, die wie Feuerzungen aussehen und sich auf jede(n) der Jünger und Jüngerinnen niederlassen und ihre Herzen erfüllen. Also ein Feuer, das die Herzen erwärmt und sie mit Liebe erfüllt; feurige Zungen, welche die Jünger zum Reden bringen. Kein Abstand gebietendes Feuer mehr wie das Feuer eines Vulkans, sondern Gott ist den Menschen so nahe, dass er in ihr Herz eindringt und darin wohnt.
Der Geist ist also das, wodurch Gott in der Welt wirkt und in den Glaubenden wohnt.

Denk daran: du bist bewohnt

Hier kann ich an das anknüpfen, was ich im „Schnupperkurs Glauben“ über den Heiligen Geist gesagt habe (21. Glaubensbrief jener Reihe). „Denk daran, du bist bewohnt“ hat Frère Roger gesagt. In Dir wohnt Gottes Geist, und durch den Geist wohnt der dreieinige Gott in Dir. Dein Inneres ist eine Wohnung des Geistes, oder, wie Paulus sagt: Du bist ein Tempel Gottes. Der Geist betet in Dir, er hilft Dir beten: „So nimmt sich auch der Geist unserer Schwachheit an. Denn wir wissen nicht, worum wir in rechter Weise beten sollen; der Geist selber tritt jedoch für uns ein mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können“ (Römerbrief 8,26).

Was feiern wir an Pfingsten? Ich habe vor allem den individuellen Aspekt herausgestellt: dass die Flamme des Geistes jeden Glaubenden im Innern erfüllt. Doch die Feuerzungen bedeuten auch: der Geist bringt die Jünger zum Reden, zum Zeugnis Geben. Die Menschen laufen zusammen, Menschen aus vielen Nationen und Sprachen. Und das Erstaunliche: jeder kann verstehen, was die Jünger sagen. Denn der Geist wirkt auch in den Zuhörern. Und er wirkt in ihnen den Glauben, sie bekehren sich. Es beginnt Mission, es entsteht Kirche. Und der Heilige Geist ist der Motor dieser ganzen Bewegung – bis heute.

Frohe Pfingsten! Und lass das Feuer in Deinem Herzen nicht ausgehen.

Dein Karl Neumann