43. Glaubensbrief - Dezember 2009 als PDF-Datei (114 kB)
Warum es den Menschen
heute schwer fällt, zu glauben. Man kann sich lange darüber aufregen, dass die heutige Zeit so schlecht ist, die Sitten so verderbt und der Glaube nicht mehr das ist, was er früher einmal war (vgl. den 3. Glaubensbrief: „Die böse Welt“). Doch was nützt das? Man holt sich nur Magengeschwüre dabei. Besser (und christlicher) ist es, die Menschen der heutigen Zeit zu verstehen zu suchen. Haben wir Verständnis für sie (denn wir gehören schließlich selbst zu ihnen) und fragen wir: Warum fällt es den Menschen heute so schwer, zu glauben?
Drei Fragen Drei Gründe fallen mir ein: 1. „Nichts ist so erfolgreich wie der Erfolg“ hat einmal jemand gesagt. Die Leute gehen dorthin, wo der Erfolg winkt. Und der Erfolg scheint nicht bei den Kirchen zu sein. Sie sind auf dem Rückzug, ihre Mitgliederzahlen schwinden, die Zahl der Kirchgänger nimmt ab, immer weniger junge Menschen wollen heute noch Geistliche werden. 2. Der christliche Glaube scheint veraltet und nicht mehr zeitgemäß. Das sieht man allein schon an den veralteten Kirchenstrukturen (vor allem steht hier die katholische Kirche in der Kritik). Auch das Verhältnis von Glaube und Naturwissenschaft bzw. Evolutionslehre ist gestört. Als Papst Johannes Paul II. sich für den Fall Galilei entschuldigte, wurde das keineswegs mit allgemeinem Lob bedacht. Sondern man tat so, als ob jetzt endlich auch den Katholiken erlaubt sei, die Erde nicht mehr für eine Scheibe zu halten. – Wer will in so einen „veralteten Verein“ noch eintreten? 3. Heute kennt man (anders als früher) mehrere Religionen und
Weltanschauungen. Man hat also die Auswahl. Und man fragt sich: Warum soll
gerade das Christentum die richtige Religion sein? Das sind einige der Gründe, warum es den Menschen heute so schwer fällt, zu glauben. Man könnte sicher noch andere nennen, und jeder Mensch hat darüber hinaus noch seine ganz persönlichen Gründe, zu glauben oder nicht zu glauben. Haben wir als Christen darauf eine Antwort? Wir sollten erst einmal
ehrlich zugeben, dass wir nicht auf alles eine fertige Antwort haben,
sondern selber Fragende und Suchende sind. So will ich als erstes sagen:
Ich habe volles Verständnis dafür, dass es den Menschen heute schwer
fällt, zu glauben. Kirche und Glaube haben ein schlechtes Image, und
vieles an diesem Image trifft ja zu. Der Wind bläst den Glaubenden ins
Gesicht. Drei Antworten 1. Zum Image der Erfolglosigkeit. „Erfolg ist keiner der Namen Gottes“. Wer nur dorthin geht, wo der Erfolg winkt, wird nie zu Christus kommen. Wer nur dem Trend nachläuft, wird nie zum Glauben kommen. Jesus hat seine Anhänger eine „kleine Herde“ genannt: „Fürchte dich nicht, du kleine Herde. Denn es hat eurem Vater gefallen, euch das Reich zu geben“ (Lukas 12,32). Ja, er hat seiner Kirche vorausgesagt, dass sie verfolgt wird (vgl. den 40. Glaubensbrief „Christenverfolgung – heute!“). Christen müssen Leute sein, die gegen den Strom schwimmen können. 2. Die kleiner werdende Zahl ist also an sich noch nicht das Schlimme.
Aber sie ist doch ein Alarmzeichen dafür, dass das Evangelium die Herzen
der Menschen nicht mehr erreicht, vor allem die der Jugendlichen. Und das
schlechte Image der Kirche ist ja nicht einfach das Werk bösartiger
Christenverfolger.
Wenn das gesagt ist, darf ich auch hinzufügen: Vieles, was am Glauben altmodisch scheint, geht auf Jesus Christus zurück. Wie Jesus für seine Zeit ein Ärgernis war (vgl. Lukas 2,34), so ist er es auch für unsere Zeit. Nehmen wir die Lebensform des Zölibats, also der Ehelosigkeit um des Gottesreiches willen. Ist sie ein Relikt aus dem Mittelalter, wie viele spotten? Keineswegs. Jesus hat selbst ehelos gelebt, und er hat von dieser Lebensform gesagt: „Wer das erfassen kann, der erfasse es“ (Matthäus 19,12). Aber noch viel grundsätzlicher: den Weg Jesu zu gehen, den Weg des Dienens statt des Herrschens, den Weg der Armut statt des Profits – erscheint das heute nicht extrem altmodisch? Und doch ist es der Weg Jesu und der Weg des Christen. 3. Das Problem der vielen Religionen. Wie kann man die richtige herausfinden? Kann überhaupt eine davon behaupten, die wahre Religion zu sein? Hat nicht jede einen Teil der Wahrheit und keine die ganze? Diese selbstkritische, bescheidene Sicht sagt den heutigen Menschen
besonders zu. Auch das Zweite Vatikanische Konzil (1962 bis 1965) hat in
den nichtchristlichen Religionen viel Wahres und Gutes entdeckt, was von
den Christen noch mehr anerkannt werden muss. Zu Weihnachten wünsche ich Euch, dass das Licht Christi, das Licht von Bethlehem, Euer Herz hell und froh mache. Einen frohen Gruß! Euer
Karl Neumann |