40. Glaubensbrief - September 2009   PDF-Zeichen als PDF-Datei (87 kB)

Christenverfolgung – heute!
 

Der geballten Faust
mit Friedfertigkeit begegnen.

Christenverfolgung. Wenn ich dieses Wort höre, denke ich an die Römerzeit. Ich denke an das Kolosseum in Rom, an eine fanatische Menge, die schrie: „Die Christen vor die Löwen!“ Und ich denke an die zahllosen Martyrer, die für ihren Glauben in den Tod gingen.

Diese Zeit ist längst vorbei. Das verfolgte Christentum wurde zur vorherrschenden Religion im römischen Reich, im Mittelalter, und ist auch heute die bei weitem größte und verbreitetste Religion der Erde.

Die am meisten verfolgte Religion

Das Christentum ist nicht nur die größte, es ist auch die am meisten verfolgte Religion. 75 % aller Menschen, die aus religiösen Gründen verfolgt werden, sind Christen. Und mehr noch: mehr als 80 % aller, die aus religiösen Gründen umgebracht werden, sind Christen. Es gibt keine Religion, die mehr verfolgt wird als das Christentum. Und das nicht unter Kaiser Nero oder zur Blütezeit des Kommunismus, sondern heute.

Der jüngste Fall ist wohl allen bekannt: drei junge Frauen und eine Familie wurden im Jemen entführt. Im Juni d. J. fand man die verstümmelten Leichen der drei Frauen, von denen zwei Schülerinnen einer deutschen Bibelschule waren. Was war geschehen? Wir wissen es nicht. Aber Anzeichen deuten darauf hin, dass die Entführer den Eindruck hatten, die Frauen wollten missionieren. Und das ist in den meisten islamischen Ländern streng verboten. Denn in vielen islamischen Staaten steht auf dem Übertritt zum Christentum (gleich Abfall vom Islam) die Todesstrafe. So warten z.B. auch in Pakistan Christen auf ihre Hinrichtung, weil sie angeblich jemand zum Abfall vom Islam verleitet hätten – oder auch, weil sie angeblich den Propheten Mohammed beleidigten. Ein Moslem, der seinem christlichen Nachbarn schaden will, braucht nur solches zu behaupten, und schon gerät der Christ in Todesgefahr.

Die verheerenden Folgen des letzten Golfkriegs

Überreste eines zerstörten Gotteshauses.

Das Land mit der schlimmsten Christenverfolgung ist der kommunistische Wahnsinnsstaat Nordkorea, aber gleich danach kommen die islamischen Länder Irak, Saudi Arabien, Iran, Afghanistan und Sudan.
In all diesen und vielen anderen Ländern spielt mit, dass das Christentum als eine ausländische Religion gesehen wird: als die Religion des feindlichen Westens. Und nach den Golfkriegen muss man hinzufügen: als die Religion der verhassten Bush-Regierung und der amerikanischen Besatzungsmacht. Im Irak setzte nach dem Golfkrieg von 2003 eine schreckliche Christenverfolgung ein. Christliche Gotteshäuser wurden niedergebrannt, einige Christen ermordet. Die Lage wurde für die christliche Minderheit im Irak so unausstehlich, dass, wer immer konnte, das Land verließ. Dank des Einsatzes von Minister Schäuble nahm gerade die Bundesrepublik in diesem Jahr eine Anzahl der irakischen christlichen Flüchtlinge auf.

Noch immer der Kommunismus

Doch es sind nicht nur islamische Länder, welche die Christen verfolgen und diskriminieren. Nordkorea hatte ich schon als traurigen Rekordhalter der Christenverfolgung genannt. In dem kommunistischen China besteht die Politik der Regierung darin, die Religionen unter vollständiger Kontrolle zu halten. Die Christen, die sich das gefallen lassen, können ihren Glauben relativ frei ausüben. Die strikt romtreue katholische Kirche dagegen wird verfolgt und muss im Untergrund leben, ebenso die protestantischen Hauskirchen. Die Geistlichen dieser beiden Kirchen haben oft viele Jahre im Gefängnis verbracht. Noch strikter ist die Religionspolitik des kommunistischen Vietnam. Hier gab es und gibt es einen numerus clausus für Studenten, die Priester werden wollen. Hätten wir doch nur in Deutschland solche Probleme wie einen numerus clausus für Theologiestudenten!

Hindu-Extremisten wollen das Christentum vernichten

Zum Schluss will ich von einer der schlimmsten Christenverfolgungen berichten, und zwar durch eine Religion, die als ein Muster an Toleranz gilt. Ich spreche vom Hinduismus in Indien.
Es war Weihnachten, die Christen im Bundesstaat Orissa (Ostindien) feierten ihr Weihnachtsfest. Da bewegte sich eine wütende Meute mit Knüppeln und Gewehren auf das Gotteshaus zu. Und nicht nur auf dieses eine Gotteshaus. Es ist eine „konzertierte Aktion“. Überall in Orissa werden die Christen in den Kirchen überfallen, die Kirchen in Brand gesteckt, die Christen vertrieben, auch in den Häusern überfallen, eine Reihe davon wird ermordet. Die Christen fliehen in die Wälder und wagen sich nicht mehr in ihre Häuser zurück.
Einige Monate später, im vergangenen September, kommt der zweite Pogrom, fast noch schlimmer als der erste. Die Christen sind verzweifelt. Der Anlass ist die Ermordung eines prominenten Hinduführers, die man den Christen in die Schuhe schiebt. Dabei wird der wahre Schuldige, ein maoistischer Rebell, bald gefasst.

Was ist der Hintergrund einer solch schrecklichen Christenverfolgung? Für die fanatischen Hindus gilt der Grundsatz: Indien ist ein hinduistisches Land, und andere Religionen haben dort nichts verloren. Der Zorn richtet sich also auch gegen den Islam, aber dieser ist zu stark, um ihn anzugreifen (obwohl es auch da einzelne blutige Pogrome gibt). Dazu kommt, dass viele Christen zur untersten Schicht der indischen Gesellschaft gehören, zu den Dalit, den „Unberührbaren“. Diese wurden von den Hindus mit ihrem Kastensystem systematisch ausgebeutet. Seit sie Christen sind, stärkt ihr Glaube ihnen das Rückgrat, sodass sie sich nicht mehr so leicht ausbeuten lassen. Und das ärgert natürlich die Hindus, deren Zorn sich gegen die christliche Mission richtet.

Warum schweigen unsere Politiker?

Christenverfolgung – heute! Es ist auch heute so, wie uns der Meister vorausgesagt hat: „Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen“ (Johannes 15,20). Und die Verfolgung trifft alle christlichen Konfessionen. Das stärkt die Ökumene. Uns trifft das gleiche Schicksal, also müssen wir zusammenhalten. Aus der Solidarität im Leiden kann und soll eine ökumenische Solidarität werden.

Und auch unsere Solidarität mit den verfolgten Christen ist gefragt. Warum setzt sich kaum jemand für die verfolgten Brüder und Schwestern ein? Warum kommen unsere Politiker, wenn sie jene Länder besuchen, nicht (oder nicht deutlicher) auf die verfolgten Christen zu sprechen? Würden bei uns die Muslime so verfolgt und diskriminiert wie dort die Christen – die islamische Welt würde Kopf stehen! Aber umgekehrt juckt es anscheinend niemand. So möchte ich es mit meinen schwachen Kräften jedenfalls versuchen, auf dieses Problem aufmerksam zu machen.

Im Gebet verbunden

Euer
Karl Neumann