39. Glaubensbrief - August 2009   PDF-Zeichen als PDF-Datei (98 kB)

Platzkarten für das Himmelreich
 

Die Kirchentüren sind weit geöffnet,
doch vielleicht zieht dich nichts dorthin.

Nehmen wir einmal an, du bist kein Christ. Vielleicht wurdest du als Baby getauft, eventuell sogar christlich erzogen, aber erst schienen dir die vielen Gebote und Verbote des Christentums allzu eng und streng, und allmählich hast du nicht mehr „praktiziert“ und vielleicht auf dem Markt der Möglichkeiten eine andere Weltanschauung gefunden, die dir besser scheint. Das alles kann ja sein.

Und trotzdem überkommt dich ab und zu eine Art Nostalgie nach deiner religiösen Kindheit; nach den Momenten des Glücks, die ja unter anderem auch mit der Religion zusammenhingen. Und wie der Christ manchmal an seinem Glauben zweifelt, so zweifelst du manchmal an deinem Unglauben. Du denkst an die Aufschrift an dem „Atheistenbus“: „Es gibt (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) keinen Gott“. Und die Worte in der Klammer lassen dich nicht los. Wenn also der Atheismus doch nicht so sicher ist? Wenn das selbst die Atheisten und Agnostiker ehrlicherweise zugeben?

Heil

Keine Angst; ich will jetzt nicht den abgelegten Glauben durch die Hintertür wieder hereinschmuggeln. Ich denke nur, dass auch der Kirchenferne vielleicht ein Interesse daran hat, was das Christentum über ihn denkt. Kann er „gerettet werden“? Kann er „das Heil erlangen“? In der katholischen Kirche gab es ja den berühmten und berüchtigten Grundsatz: „Außerhalb der Kirche kein Heil“. Das klang sehr arrogant. Mein Lehrer in München sagte immer: „Besser sollte man sagen: Ohne die Kirche kein Heil“ Das zweite Vatikanische Konzil (1962-65) lehrte jedenfalls: Menschen, die ohne eigene Schuld Gott und Christus nicht kennen, können auf Wegen, die nur Gott weiß, gerettet werden. (vgl. LG 16; AG 7). Wenn sie sich bemühen, „ein rechtes Leben zu führen“.

Gewissen

Die Stimme des Gewissens,
manchmal wie ein Paukenschlag.

Doch was heißt „ein rechtes Leben führen“? Wer seinem Gewissen folgt, auch wo ihm das Nachteile bringt, der führt ein rechtes Leben.
Hast du schon einmal den dokumentarischen Spielfilm über die letzten Tage von Sophie Scholl gesehen? Sie war Studentin in München, und ich bin während meines Studiums oft durch den Lichthof der Münchner Uni gegangen, wo Sophie und ihre Gruppe heimlich Flugblätter ablegten, die die Gräueltaten der Nazis aufdeckten. Bis sie dann einmal doch entdeckt wurde, ins Gefängnis kam und von den Nazis umgebracht wurde. Pech gehabt? Dumm gelaufen? Waren die vielen Duckmäuser und Wendehälse besser, jedenfalls klüger? Sophie war überzeugt, dass es ein Gut gibt, das den Einsatz des Lebens wert ist. Du kannst es finden, wenn du auf die Stimme des Gewissens hörst. Da muss es nicht um so entscheidende Dinge gehen wie bei Sophie Scholl. Aber immer geht es um jene seltsame Entdeckung: du entdeckst in deinem Inneren ein Gesetz, das du dir nicht selbst gegeben hast, sondern dem du gehorchen musst – eine Art Stimme, die dir sagt: Das musst du tun – und das darfst du nicht tun. Schon der Apostel Paulus hat über jene seltsame Erscheinung nachgedacht, dass die „Heiden“, die das jüdische Gesetz nicht kennen, „von Natur aus das tun, was im Gesetz gefordert ist... Sie zeigen damit, dass ihnen die Forderung des Gesetzes ins Herz geschrieben ist, ihr Gewissen legt Zeugnis davon ab“ (Römerbrief 2,14f). Es ist also jedem Menschen ins Herz geschrieben, was Gott von ihm möchte.

Hilfsbereitschaft

Was er möchte, ist Liebe. „Wer den Nächsten liebt, hat das Gesetz erfüllt“ steht im gleichen Römerbrief (13,8). Unter all dem vielen, das zur Nächstenliebe gehört, ist, glaube ich, eines besonders wichtig: die Hilfsbereitschaft. Auch wenn du nicht oft eine Kirche von innen siehst – wenn du ein hilfsbereiter Mensch bist, wird Gott das honorieren. Wenn Jesus ein Beispiel von Nächstenliebe gibt, nennt er die Hilfsbereitschaft. Da ist einer von Räubern überfallen worden und liegt halbtot am Straßenrand. Zwei fromme Leute gehen vorbei, wechseln die Straßenseite und lassen ihn in seinem Blut liegen. Da kommt ein Fremder aus Samarien, der schaut hin, verbindet ihm die Wunden und sorgt für ihn (Lukas 10,30-37). Man nennt diesen hilfsbereiten Mann den barmherzigen Samariter. Er ist ein Beispiel für Nächstenliebe geworden. Und das andere Beispiel: Wenn Jesus als Richter wiederkommen wird, schaut er nach den Hilfsbereiten aus, und die nimmt er auf in sein Reich, die Hartherzigen aber werden verworfen. „Was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ erklärt Jesus (Matthäus 25,40).
Wieder ist das Entscheidende die Hilfsbereitschaft. Ja, höher kann man sie gar nicht mehr bewerten als hier, wo sie über Himmel oder Hölle entscheidet.

Ich habe das auch deshalb geschrieben, weil hilfsbereit jeder sein kann, ob er in die Kirche geht oder nicht. Weil der (oft so leisen) Stimme seines Gewissens jeder folgen kann, ob er Christ ist oder nicht. Und weil in der Stimme des Gewissens und in dem Anruf der Liebe der spricht, den wir Gott nennen.

Mit einem frohen Gruß

Euer
Karl Neumann