38. Glaubensbrief - Juli 2009   PDF-Zeichen als PDF-Datei (114 kB)

Der Atheistenbus
 

Der Bus auf Tour in der Hauptstadt Berlin.
Foto: Evelin Frerk

Ein Bus fährt durch Deutschland. Auf seinen Seiten – dort, wo sonst Reklame für Waschmittel und alles Mögliche steht – prangen die Worte: „ES GIBT (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) KEINEN GOTT“.

Ein Vorbild für diese Bus-Kampagne war England, wo Ende letzten Jahres die berühmten Doppeldecker-Busse mit der Aufschrift durch London fuhren: „There is (probably) no God. Now stop worrying and enjoy life“. Die deutschen Veranstalter wollten ihr atheistisches Credo ebenfalls auf Linienbusse schreiben lassen, doch zu ihrer Überraschung lehnten fast alle Verkehrsbetriebe ab, was sie im säkularisierten Deutschland nicht erwartet hatten. So mieteten sie kurzerhand zwei private Busse und ließen die mit der erwähnten Aufschrift durch alle größeren deutschen Städte rollen.

„Das sind Feinde des Glaubens!“

Das gab einen großen Aufschrei in der christlichen Welt. „Woher nehmen diese Leute das Recht, für den Atheismus Propaganda zu machen?“ wurde gefragt. Ich habe eine Rundfunksendung gehört, wo Leute ihre Meinung zu dieser Aktion sagen konnten. Die meisten, die sich als Christen bezeichneten, waren negativ. „Das sind doch Feinde des Glaubens, die muss man bekämpfen!“ war der Tenor.

Ich meine das nicht. Ich denke, wenn wir Christen uns das Recht nehmen, in der Öffentlichkeit unsere Überzeugung zu vertreten, müssen wir dieses Recht doch auch anderen Überzeugungen zugestehen, auch solchen, die wir für falsch halten. Meinungsfreiheit und Toleranz sollten doch zum ABC jedes Bürgers einer Demokratie gehören. Gewiss, wenn die Atheisten „Feinde des Glaubens“ sind, darf man sie bekämpfen. Aber doch nicht mit Feuer und Schwert oder Hetze, sondern mit Argumenten, im Disput und Dialog. Ein christlicher Freund von mir hat in Mannheim versucht, in ein tieferes Gespräch mit den Leuten der Buskampagne einzutreten. Er war überrascht, welch tiefe Fragen da zur Sprache kamen. Wer sich auf den Plätzen deutscher Großstädte mit einer atheistischen (oder agnostischen) Überzeugung zur Diskussion stellt, muss schon gut über all das nachgedacht haben. Er gleicht da paradoxerweise den Sekten und Freikirchen, die ähnliche Methoden anwenden und auf ähnlichen Widerspruch gefasst sein müssen.

Ein kleines verschüchtertes Häuflein?

Warum hat man diese Buskampagne gestartet? Das kann man im Internet nachlesen (www.buskampagne.de). „Nicht-Religiöse, Agnostiker und Atheisten sollen wahrnehmen können, dass sie nicht alleine sind...“ Ich wundere mich, ehrlich gesagt, dass unsere atheistischen Brüder und Schwestern Trost brauchen, weil sie das Gefühl haben, allein zu sein, dass sie Ermutigung brauchen, „sich gegen religiösen Hochmut“ (von wem wohl?) „zur Wehr zu setzen“ (ebd.). Die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschlands ist, grob gesprochen, zu einem Drittel protestantisch, zu einem Drittel katholisch, und ein Drittel gehört keiner der beiden Kirchen an, die meisten davon religionslos. Also doch wohl nicht gerade ein kleines verschüchtertes Häuflein. Mir scheint es eher umgekehrt zu sein: Ein Christ, der sich am Arbeitsplatz zu seinem Glauben bekennt, der wird eher diskriminiert und fühlt sich eher als Minderheit und Außenseiter als ein Religionsloser.

Kann ein Leben ohne Gott glücklich und moralisch sein?

Gegenfrage auf dem T-Shirt eines Mannes, der
das Gespräch mit den Leuten von der Aktion sucht.
Foto: Evelin Frerk (Ausschnitt)

Der „Atheistenbus“ dient noch einem weiteren Zweck: zu zeigen, dass man auch ohne Gott ein glückliches Leben führen kann, und dass ein Leben ohne Gott sehr moralisch sein kann. „Werte sind menschlich – auf uns kommt es an“ steht auf dem Bus.

Nun gebe ich als Christ gerne zu, dass Atheisten glückliche und moralisch gute Menschen sein können.
Doch was das Glück angeht: kann man von wahrem Glück sprechen, wenn man davon überzeugt ist: Mit dem Tod ist alles aus; das Grab ist die Endstation? Wenn man überzeugt ist: Wir Menschen sind allein in den unvorstellbaren Weiten des Universums; da ist kein Schöpfer, der alles erschaffen hat, da ist keine Weisheit, die alles lenkt, da ist kein Vater, der uns kennt und liebt?
Gewiss, man kann das alles vergessen oder verdrängen und kann glücklich sein. „Lasst uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot“. Aber genügt uns das?

Und was die Moral angeht: Sind Werte wirklich nur menschlich? Kann man an absoluten Normen festhalten, wenn man nicht an den Absoluten glaubt? Kann der Mensch eine letzte Verantwortung leben, wenn niemand da ist, vor dem er sich verantworten muss? Das Tötungsverbot und all die anderen Gebote – sind das nur Gesetze, die wir uns selber gegeben haben?

Gewiss, man kann aus einem richtigen Gefühl heraus das Gute tun und seinen Nächsten lieben. Das tun Gott sei Dank auch viele Atheisten.
Doch genügt dieses Gefühl? Und wenn andere Menschen anders fühlen? Darum gehört die Verantwortung vor Gott zum Fundament des deutschen Grundgesetzes. Es beginnt so: „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen … hat sich das Deutsche Volk … dieses Grundgesetz gegeben“.

Soll der „Atheistenbus“ ruhig durch Deutschland fahren. Er kann uns Christen nur helfen, tiefer über unseren Glauben nachzudenken. Und er hilft den Zeitgenossen, die Gottesfrage wieder ins Gespräch zu bringen.

Euch allen wünsche ich eine tiefere Erfahrung Gottes – und einen schönen Urlaub

Euer
Karl Neumann