31. Glaubensbrief - Dezember 2008   PDF-Zeichen als PDF-Datei (67 kB)

Der Alltag als Übung

Kennt ihr das auch? Der Tag ist vorbei, es ist Zeit, ins Bett zu gehen, und du fragst dich: „Was habe ich eigentlich heute getan?“ Der Berg von Arbeit ist kaum abgetragen, ja es kommt mehr dazu, als du abarbeiten kannst. Und wenn es noch alles sinnvolle Arbeit wäre! Aber vieles davon ist sinnleerer Kleinkram. Da kommen jeden Tag viele viele Spam-Mails auf meinen PC, und das trotz guter Filter, und rauben mir kostbare Zeit. Gut, das ist nur ein Beispiel; ich denke, viele von euch kennen ähnliche Probleme. Kurz und gut, man hat das Gefühl, wenig Zeit zu haben, man arbeitet schneller und hastiger, Hetze bestimmt den Alltag.

Nicht nur auf das Ziel starren. Der Weg ist wichtig.

Na, werd' schon endlich grün!

Als es mir einmal so ging, tauchte plötzlich ein Satz in meinem Kopf auf: „Du kannst den Alltag als Übung sehen“. Und da fiel mir wieder ein Buch ein, das ich einmal gelesen hatte. „Der Alltag als Übung“ hieß es. Was darin stand, hatte ich fast ganz vergessen, aber der Titel sagte mir alles. „Der Alltag als Übung“. Es kommt mir manchmal vor: Wir hetzen bewusstlos durch unseren Alltag. Wenn du z.B. über die Straße gehst, sind die Gedanken dir meist schon ein gutes Stück voraus. Sie sind bereits beim Ziel, der Weg dahin ist nur eine lästige Verzögerung. In Wirklichkeit ist auch der Weg wichtig. Das Gehen kann eine Übung sein, eine Schule der Achtsamkeit. Grundsätzlich gesagt: Worum geht es? Es geht darum, mit den Gedanken nicht irgendwo zu sein, sondern bei der Handlung, die du gerade tust. Diese Handlung ist wichtig, und sei sie auch noch so unbedeutend. Dieses Ziel (stets bei der Sache sein) kannst du nicht von heute auf morgen erreichen. Es muss geübt werden. Wie bei jeder Übung braucht es Zeit, aber wie bei jeder Übung wirst du auch den allmählichen Fortschritt sehen.

Was gewinnst du bei dieser Übung?

Was ist die Frucht solcher Übung der Achtsamkeit? Ich zähle einmal einige auf.

Jedem Schritt das ihm gebührende Gewicht geben

Entspannung
Wenn du (z.B.) beim Gehen auf deine Füße achtest, wenn du beim Sitzen den Scheinwerfer deiner Aufmerksamkeit über deinen ganzen Körper gehen lässt, dann wirst du merken, wie dich das entspannt.

Humor
Mit der Entspannung kommt auch der Humor zurück, der dir vielleicht im Stress des Alltags abhanden gekommen war. Die Dinge mit Humor nehmen heißt: über den Dingen stehen, sich nicht gleich unterkriegen lassen.

Stille
Wer mit Achtsamkeit bei der Sache ist, bei dem verstummt allmählich der Lärm der Gedanken, der inneren Stimmen, die ihn hierhin und dorthin ziehen wollen. Er erfährt die Kraft der Stille.

Gebet
„Die innere Stille erfordert zunächst, dass man sich von sich selbst losgesagt hat, um die wirren Stimmen zu beruhigen und des Druckes der Sorgen Herr zu werden – in dem steten Neuanfang eines Menschen, der niemals entmutigt ist, weil ihm immer vergeben wird. Sie macht unser Gespräch mit Jesus Christus möglich“ (Regel von Taizé).

Bei dir selbst sein – bei Gott sein: das hängt zusammen.

Wachsam sein, auf den Herrn warten: das ist die Haltung der Adventszeit. Die wünsche ich euch von Herzen – und jetzt schon ein gesegnetes Fest!

Euer
Karl Neumann