25. Glaubensbrief, Dezember 2004:
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Was sollen wir tun?
Ihr PC ist mal wieder abgestürzt. „Was soll ich tun?" fragen Sie. - Ihre Freundin/Ihr Freund hat Sie verlassen. „Was soll ich tun?" - Ihre Eltern sind alt und pflegebedürftig. Wäre ein Seniorenheim das beste? „Was soll ich tun?" überlegen Sie. Es gibt tausend Situationen im Alltag, wo Sie vor der Frage stehen: „Was soll ich tun?" Ja, das ganze Leben ist eine einzige große Frage: „Was soll ich tun? Wie soll ich mein Leben leben?" Wir haben damit sogar eine der drei Grundfragen erwischt, die es nach Kant für die Philosophie gibt: Was kann ich wissen? Was darf ich hoffen? Was soll ich tun? Und eine ganze Wissenschaft: die Ethik, antwortet auf diese einfache Frage: Was soll ich tun? Doch keine Angst, ich will Sie hier nicht mit Wissenschaft langweilen. Uns interessiert etwas Einfacheres, das mit unserem Leben zu tun hat: Was sagt der Glaube, dass ich tun soll? Wie kann ich meinen Glauben leben? Nehmen wir einmal an, Sie haben diesen Schnuppenkurs Glauben mitverfolgt und haben nun ein wenig besser verstanden, was Glauben bedeutet – oder sind gar dadurch dem Glauben näher gekommen. Aber der Glaube ist ja keine Theorie, das spüren Sie. Wie soll ich das leben?
Göttliche Frechheit Interessanterweise wurde die Frage „Was soll ich tun?" auch an Jesus gerichtet.
Schon die Fragestellung ist wichtig. Nehmen wir einmal an, der Mann hat es ernst gemeint. Dann ist es die Frage eines gläubigen Menschen. Er fragt nicht einfach: Wie soll ich mein Leben leben, dass es am meisten Spaß macht? Er rechnet mit Gott und weiß, dass es im Leben das Allerwichtigste ist, seinen Willen zu tun. Wenn wir den tun, kommen auch wir nicht zu kurz. Leben hat er uns versprochen, und zwar ewiges Leben. Daher seine Frage: Was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen? Jesus nimmt ihm die Antwort nicht ab, und der Mann findet sie selber. Gott lieben aus ganzem Herzen und aus allen Kräften, und den Mitmenschen lieben wie sich selbst: das ist es, was ein Mensch tun soll. Eine ganz einfache Sache. Die Pharisäer und ihre Schriftgelehrten hatten eine solche Menge zusammengetragen, was der Mensch unbedingt tun müsse, dass viele Leute darunter zusammenbrachen. Und vieles davon stand ja auch im Gesetz des Moses, in der Heiligen Schrift, war also „göttliches Gesetz". Und da kam Jesus mit göttlicher Frechheit und sagte: Es kommt einzig und allein auf die Liebe an – auf die Gottesliebe und die Nächstenliebe. (Nach dem Bericht in den anderen Evangelien hat nämlich Jesus selbst diese Antwort gegeben.) Welch eine Vereinfachung, welche Befreiung! Die christliche Moral ist kein Sammelsurium von allen möglichen Vorschriften (wie wir das vielleicht als Kinder erlebt haben), sondern im Grunde sehr einfach: nicht in Egoismus um sich selbst kreisen, sondern in Liebe den Anderen zum Zentrum machen: Gott und den Mitmenschen.
Die Kunst des Liebens Auf der anderen Seite: Ist Lieben wirklich so einfach? Ja und nein. Es ist ganz einfach und ganz schwer. Schwer, denn es ist die Aufgabe eines ganzen Lebens, aus einem Menschen, der um sich selber kreist, zu einem Menschen zu werden, der um Gott und den Nächsten kreist. Da gibt es tausend Rückfälle. Manchmal denke ich: Hätten wir doch bloß die Gesetze der Schriftgelehrten zu erfüllen! Gott pünktlich unsere guten Werke abzuliefern, das ist doch schließlich noch einfacher als ihm unser Herz „abzuliefern". Aber nein, er will nicht unsere guten Werke, er will unser Herz. Und die „guten Werke" nur, wenn sie Zeichen unseres liebenden Herzens sind. Nun heißt das nicht, dass wir nur noch dastehen und fromme Liebesseufzer von uns geben sollten. Die Liebe, die Jesus meint, ist nichts Sentimentales. Und sie zeigt sich in der Tat. Gewiss, die Tat muss von der Liebe beseelt sein, sonst ist sie vor Gott wertlos, denn nur die Liebe gilt vor ihm. Aber die Liebe will sich in der Tat ausdrücken, sonst wäre sie keine Liebe.
Es grüßt Sie herzlich |