Karl Neumann: Glaubenskurs Online24. Glaubensbrief, November 2004:

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Die Kirche – ein Schachclub

Ich will gleich in die Vollen gehen:

Wenn Sie die Kirche nicht mit den Augen des Glaubens sehen, sehen Sie am Ende nur noch Skandale. Was bleibt dann noch übrig? Wahrhaftig, dann würde vielleicht auch ich der Kirche den Rücken kehren. Aber die Augen des Glaubens sehen in diesem oft so armseligen Gebilde eine tiefere Dimension. Das soll jetzt kein fauler Trick sein, um – Abrakadabra! – aus einem schwarzen Kater ein weißes Kätzchen zu machen. Die Skandale bleiben, und sie werden eher noch schlimmer, wenn wir sie gegen das Bild halten, das das Neue Testament von der Kirche zeichnet.

Ja, die Kirche ist, obwohl sichtbar, auch ein Gegenstand des Glaubens. Sie setzt den Glauben an Vater, Sohn und Geist voraus. Darum kommt sie im Credo erst an später Stelle, nach dem Heiligen Geist, und so habe ich es auch in meinem Schnupperkurs Glauben gehalten.

Hier wird der Glaube konkret. Nicht nur Gott, auch die Menschen sind sein Gegenstand. Wir glauben nicht nur, dass es einen Vater, Sohn und Heiligen Geist gibt. Wir glauben auch, dass der Sohn die Menschen erlöst hat, dass dadurch der Vater sie zu seinen Kindern und der Heilige Geist zu seiner Wohnung gemacht hat. Und diese Schar der Erlösten ist die Kirche. Es ist viel zu wenig, die Kirche als eine Glaubensgemeinschaft zu sehen, als eine Gruppe, die die gleiche christliche Weltanschauung vertritt. Es ist vielmehr die Gemeinschaft der Erlösten, die mit dem dreifaltigen Gott innerlich verbunden sind.

Die Frau in den Katakomben

In den Katakomben gibt es das Bild einer Frau, die in Gebetshaltung die Hände erhoben hat. Das ist vielleicht das älteste Bild der Kirche. Kirche heißt im griechischen Urtext "ekklesía", das bezeichnet zunächst die gottesdienstliche Versammlung, die versammelte Gemeinde. Dort kann man also die geistliche Wirklichkeit der Kirche am besten erblicken, wo die Kirche "vor Ort" sich versammelt, wo sie ihre Hände erhebt wie jene Figur aus den Katakomben, um dem Vater durch Christus Preis und Dank darzubringen.

Kirche in ihrer dichtesten Wirklichkeit ist also nicht dort, wo bei Katholikentagen oder Evangelischen Kirchentagen die Massen zusammenströmen, auch nicht dort, wo der Papst den Segen "Urbi et orbi" erteilt, sondern dort, wo sich die Gemeinde zum Gottesdienst versammelt. Der Leib Christi in der Eucharistie ist die Mitte des geheimnisvollen Leibes Christi, der die Kirche ist.

Ein Trost

Und das ist zugleich ein Trost. Trotz aller Skandale und Ärgernisse, die die Kirche gibt, hält sie treu am Vermächtnis des Herrn fest: sie "verkündet seinen Tod, bis er wiederkommt" , predigt das Evangelium, teilt die Gnade Christi aus in den Sakramenten – und das ist am Ende doch das Wesentliche. Der Theologe Karl Rahner hat die Kirche einmal mit einem Schachclub verglichen. Im Schachclub, sagt er, ist nicht der Vorstand und nicht der Kassenwart das Wichtigste, obwohl sie am meisten auffallen. Das Wichtigste sind die Mitglieder, die gut Schach spielen, denn dafür ist doch schließlich der ganze Verein da. Das will sagen: Wie im Schachclub einen Vorstand, so muss es auch in der Kirche ein Amt geben, also z. B. Papst und Bischöfe. Aber sie sind keineswegs das Wichtigste an der Kirche. Vor Gott die Wichtigsten sind vielmehr die vielleicht kleinen und unscheinbaren Glieder, die "am besten Schach spielen", will sagen: Gott in Glaube, Hoffnung und Liebe am besten dienen. Denn das, und nichts anderes, ist schließlich der Daseinszweck der Kirche.

So meint jedenfalls

Ihr Karl Neumann
neumann@glaubensinformation.de