Der halbierte Gott
Das Fundament des Glaubens ist Gott. Er ist das Einfachste, das
Fundamentalste, an das viele Menschen glauben, die die komplizierten
Dogmen des Christentums ablehnen. An das auch andere Religionen glauben,
z.B. die Juden und die Muslime. Wir wollen mit diesem Fundament
anfangen.
Die meisten hierzulande haben schon als Kinder an den "lieben
Gott" geglaubt, auch wenn sie diesen Glauben dann später aufgaben.
Sie kennen vielleicht gar keinen anderen Gott als ihren Kindergott.
Der kindliche Gott
Das ist ein Gott, der sitzt im Himmel über den Wolken und hat einen
langen Bart - so etwa wie der Weihnachtsmann. Er sieht alles, kann
alles, ist ein richtiger Supermann. Er kann die tollsten Dinge machen,
und ich habe mir früher immer ausgemalt, was er alles machen sollte.
Aber er ist natürlich auch streng. Vor allem sieht er alles, was die
Kinder anstellen, wenn die Eltern nicht dabei sind. Und das bestraft er
dann, auch wenn Vater und Mutter es nicht sehen und nicht bestrafen
sollten.
Also ein Gott, der ein Teil der kindlichen Märchenwelt ist. Und ein
Gott, den die Eltern als Erziehungsknüppel benutzen, als ihren
verlängerten Arm und ihr verlängertes Auge. Für diesen Gott hat
Sigmund Freud Recht: er ist für das Kind eine überhöhte Vaterfigur,
er ist die Verinnerlichung der elterlichen Gebote.
Und für viele bleibt es das ganze Leben lang so. Und zwar in beiden
Fällen: ob sie an einem solch kindlichen Gottesbild ihr Leben lang
festhalten, oder ob sie es später ablehnen in der Meinung, dies sei der
christliche Gott. Beide Male wird das Gottesbild vom Kindergott
bestimmt.
Natürlich ist das nicht alles, was über den kindlichen Gott zu
sagen ist, aber es ist doch etwas, was sehr viele erlebt haben.
Der Vulgär-Gott
Ein anderes schiefes Gottesbild ist das, was ich einmal den
Vulgär-Gott nennen möchte.
Nach einer neuen Untersuchung glauben von den 13- bis 29jährigen in
Deutschland nur 10 % an den christlichen Gott, aber doppelt so viele an
"eine höhere Macht". Auch bei den Älteren ist der Gott, an
den die meisten glauben (wenn sie überhaupt glauben) ein "höheres
Wesen". "Ja, ich glaub schon, dass es irgendwo ein höheres
Wesen gibt", hört man oft. Dieses Irgendwo muss wohl ziemlich weit
weg sein, denn für ihr Leben hat dieses höhere Wesen jedenfalls keine
Bedeutung. Außer wenn man etwas von ihm haben will. Und auch da hilft
es meist nicht. Man kann sich dann jedenfalls gut bei ihm beschweren.
Auch für viele, die sich Christen nennen, existiert Gott vor allem
dann, wenn sie ihn brauchen. Aber was ist das für eine Beziehung, wo
der andere Luft ist, außer wenn man ihn braucht? Wer wird sich so etwas
gefallen lassen?
Und wenn man dann einmal etwas von ihm braucht, dann muss es aber
geschwind gehen, dann will man am liebsten gleich ein Wunder sehen,
sonst ist man sauer und kümmert sich noch weniger um ihn. Diese Leute
sagen es zwar nicht, aber sie behandeln Gott wie ihren Diener, der
springen muss, wenn man ihm etwas sagt. Jedem Menschen sagt man
"Dankeschön", wenn man etwas von ihm erhalten hat. Behandelt
man Gott schlechter als einen Menschen? Jede menschliche Beziehung muss
man pflegen. Glaubt man, dass man ausgerechnet die Beziehung zu Gott
nicht pflegen müsse? Es gibt ein ganz einfaches Rezept: Behandle Gott
so, wie Du einen guten Menschen behandelst. An einem guten Verhältnis
zu einem Menschen kannst Du die Regeln für ein gutes Verhältnis zu
Gott ablesen.
Gott ist zwar kein Mensch, aber er ist auch nicht weniger als ein
Mensch. Er ist nach christlichem Verständnis eine Person und kein
nebelhaftes "höchstes Wesen". Jesus hat ihn Vater genannt.
Vater bedeutete für ihn: eine große persönliche Liebe, gepaart mit
einer großen Autorität. Für Jesus hieß das, ihm in Liebe und
Gehorsam ganz tief verbunden zu sein.
Der halbierte Gott
Ja, auch in Gehorsam.
Viele hören das nicht gerne. Sie lassen sich noch einen Gott
gefallen, von dem sie jeden Tag ihre Streicheleinheiten beziehen, bei
dem sie sich geborgen wissen, der sie beschützt und behütet. Das ist
gut und schön.
Aber dass dieser Gott auch ihr Leben und ihren Alltag bestimmen will,
dass er Forderungen stellen könnte, das können sie nicht akzeptieren.
Die angenehme Hälfte des Gottesbildes nehmen sie gerne an, aber den
Rest ignorieren sie . Das nenne ich einen halbierten Gott.
Kein Wunder, dass ein solch saft- und kraftloser Gott, ein Gott, der
nur zu meiner ideologischen Bestätigung da ist, beim nächsten
kräftigen Windhauch weggeblasen wird. Auf ihn trifft wiederum Freuds
Ansicht zu, Gott sei nur die fiktive Wunscherfüllung des Menschen, und
es sei besser, sich seine Wünsche in der Realität zu erfüllen als in
solch frommer Fantasie. Es sei besser, die Ungeborgenheit auszuhalten
als sich eine solch fromme Geborgenheit vorzuspiegeln. Wenn Gott so
wäre, dann hätte diese Religionskritik ganz Recht.
Aber Gott ist nicht so.
Worüber ich heute sprach, sind schiefe Gottesbilder, ist ein
halbierter Gott . Im nächsten Glaubensbrief dann mehr.
Mit frohem, herzlichen Gruß
Ihr
P. Karl Neumann
karlneumann@glaubensinformation.de
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