Zweiter Brief, Januar 2003:

Warum ich glaube

„Ich würde nie und nimmer erwarten, dass irgendein Gott meine Gebete erhören will. Wenn ich nachdenke, rede ich allein mit mir, immer im Kreis herum, kein Notausgang aus meinem Ich. Die Kerzen, die ich anzünde, brennen für niemanden" (Amica, vgl. den vorigen Brief).

Eigentlich traurig, so etwas. Kein Notausgang. Eingeschlossen.
Aber wenn da kein Gott ist, der mich hört, ist das wohl die Lage der Dinge.

Da ist es wohl besser, man denkt nicht allzuviel darüber nach. Es gibt ja so vieles, was amüsanter ist als über die letzten Fragen nachzudenken. Sonst könnte man am Ende nicht mehr schlafen. Nur im Hinterkopf bleibt vielleicht ein mulmiges Gefühl.
Aber was soll’s? „Ich brauche keinen Glauben", sagen die meisten. Und sie kommen wirklich auch ohne Gott und ohne Glauben ganz gut über die Runden. Sie sind Schüler: da kommt alles drauf an, eine gute Prüfung zu machen und einen Job zu bekommen. Sie haben eine gute Stelle: dann müssen sie weiterkommen, den Arbeitsplatz nicht verlieren. Sie haben Familie: da hat man wenig Zeit für andere Dinge.

Es wäre aus gewesen

Und so geht es weiter. Das Leben läuft gut, man ist zufrieden.
- Bis es dann eines Tages passiert.

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„O. hatte einen Anhalter mitgenommen und reichte ihm die Gepäckstücke aus dem Kofferraum seines Autos. Der Fahrer des nachfolgenden Wagens übersieht ihn. O. wird zwischen die Stoßstangen gequetscht. Es geht um Leben und Tod. O. überlebt. Aber ein Jahr lang kann er nicht arbeiten.
‘Ein halber Meter weiter links, und es wäre aus gewesen’ - dieses Bewusstsein lässt den jungen Mann nicht mehr los. Er denkt nach, grübelt..." (Weltbild-Magazin).

Ich könnte andere Beispiele bringen. Etwa den Mann, glücklich verheiratet, mit vielen Plänen, Hoffnungen. Er hat einen schweren Arbeitsunfall, querschnittsgelähmt. Ein ganzes Leben im Rollstuhl.
Sie kennen sicher solche Schicksalsschläge in Ihrem Bekanntenkreis, vielleicht sogar bei Ihnen selbst.
Ein solcher Schicksalsschlag muss nicht zum Glauben führen, aber er führt jedenfalls zum Nachdenken:

Ein wasserdichter Lebensplan

Was hat das Leben jetzt noch für einen Sinn, wo man (wie der Querschnittsgelähmte) nicht mehr arbeiten kann, ständig an den Rollstuhl gefesselt ist, vielleicht anderen Leuten zur Last fällt? All die Pläne sind futsch, die man sich für das Leben gemacht hat. Ein Augenblick hat sie alle über den Haufen geworfen. Gibt es einen Lebensplan, der gegen so etwas wasserdicht ist? Da fängt man an zu suchen.
Ist der Sinn des Lebens bloß, weiterzukommen, gut zu verdienen, eine glückliche Familie zu haben, gesund zu sein? All das kann ein schlimmer Zufall in einem Augenblick zerstören. Und spätestens zerstört es der Tod. Gibt es etwas, das nicht zerstörbar ist?
Ich kann natürlich sagen: „Na und? Noch gehts mir gut. Toi toi toi! Ich hoffe, dass es mich nicht trifft". Beneidenswert, wer mit so etwas zufrieden sein kann. Ich könnte es nicht.

Ich kann aber auch anfangen zu suchen, nach etwas Dauerhaftem, das mir kein Schicksalsschlag aus der Hand schlagen kann - wenn es denn so etwas gibt.
Und da kann es sein, dass ich auf die Antwort des Glaubens stoße. Ich weiß nicht, ob sie wahr ist oder nicht, aber jedenfalls, wenn sie wahr wäre, wäre sie genau die Antwort auf mein Problem. Ich hätte das gefunden, was kein Schicksalsschlag zerstören kann. Ich hätte etwas gefunden, worauf ich mein Leben bauen kann.

Was ich entdeckt habe

Ich muss gestehen, dass dies der Weg ist, auf dem ich persönlich zum Glauben kam. Gewiss, ich bin als Kind katholisch erzogen worden, aber es war eben nicht mehr als ein Kinderglaube. Noch zur Zeit des Gymnasiums war es, da traf mich eine tiefe Krise, ein schwerer Schicksalsschlag. Ich fragte zum ersten Mal: „Welchen Sinn hat mein Leben, wofür ist es da?" Vorher hatte ich einfach in den Tag hinein gelebt. Jetzt war die Selbstverständlichkeit, mit der ich lebte, durchbrochen. Ich erfuhr zum ersten Mal, dass mein Leben ein Ende hat. (Natürlich hatte ich das auch vorher gewusst, aber jetzt spürte und erfuhr ich es zum ersten Mal.) Mein Leben war kurz, was sollte ich daraus machen?
Ich sah, was die meisten anderen daraus machten, und es konnte mich nicht befriedigen. Ich suchte ein festeres Fundament.
Gott ist der einzige Halt in meiner Vergänglichkeit; Gott ist das einzige Fundament, das nichts und niemand zerstören kann, nicht einmal der Tod; Gott ist das wahre Ziel meines Lebens, er ist das, wofür es sich lohnt, sich ganz einzusetzen. Das ist es, was ich fand.

Und darum glaube ich.

„Ich lebe aus dem glühenden Kern des Glaubens", sagte Walter Dirks einmal. Das Gleiche könnte auch ich sagen. Der glühende Kern, da wo Gott mein Leben berührt, wo Glaube und Unglaube sich gegenüberstehen, das ist die Mitte, aus der ich lebe.

Viele Fragen bleiben noch. Fragen, die Ihnen vielleicht auf den Nägeln brennen. Es gibt zahlreiche Wege, Gott zu erfahren. Was ich oben geschildert habe, ist nur ein Weg. Wichtig ist auf jeden Fall, dass Sie auf die Suche gehen. Ich garantiere Ihnen, es wird auf jeden Fall eine spannende Suche sein.

Ihr Karl Neumann
neumann@glaubensinformation.de