Es ist noch nicht
allzu lange her, da blätterte ich beim Friseur in den Illustrierten. In
einer stand folgendes:
„Als Kind war ich Ministrant,
und noch heute fällt es meinem Körper ein, Kreuzzeichen zu schlagen,
wenn ich auf Friedhöfen bin. In unserer Kultur wird man aufs
Christentum abgerichtet, katholisch im Süden, protestantisch im
Norden, das schüttelt man nie wieder ab. Glauben ist etwas anderes.
Glauben heißt, die Bibel für mehr als ein nur menschliches Buch zu
halten, auf Wunder zu hoffen und darauf, dass nach dem Tod die Seele
überlebt, von der Existenz eines höheren Wesens überzeugt zu sein,
das es gut mit uns meint. Glauben heißt auch, darauf zu vertrauen,
dass Leiden Sinn macht... Wer glaubt, glaubt an letzte Dinge, selbst
wenn er sich im Alltag nicht einmal mit den vorletzten beschäftigt.
Glaube ich also? Nein.
Ich kann bloß die Gebete noch sprechen, wie ich immer noch alte
Beatles-Lieder singen kann, auch wenn ich sie Jahre nicht mehr gehört
habe..., und ich kann mich noch genau erinnern, wie sich
Messdiener-Gewänder anfühlen, schwer und dick und ein wenig kratzig
auf der Haut.
Aber ich bin abgefallen. Ich würde nie und nimmer erwarten,
dass irgendein Gott meine Gebete erhören will. Wenn ich nachdenke,
rede ich alleine mit mir, immer im Kreis herum, kein Notausgang aus
meinem Ich. Die Kerzen, die ich anzünde, brennen für niemanden. An
Erlösung zu glauben, habe ich mir längst abgewöhnt. Das Einzige,
was mich mit der Kirche verbindet, ist der Kirchensteuerabzug. Ich bin
zu faul oder zu sentimental auszutreten, eine von Gottes
Karteileichen. Ach nein: Mit Gott hat das gar nichts zu tun." (Peter
Praschl in Amica)
Viele
treten aus, wenige treten ein
Ich kenne viele, denen es
ähnlich geht. (Einer meiner besten Freunde - er lebt leider nicht mehr
- war Atheist, das tat unserer Freundschaft keinen Abbruch. Im
Gegenteil, es ergab interessante Diskussionen.) Für viele war das
Christentum nur Dressur. Als Kinder wurden sie so „abgerichtet",
haben es aber nie verstanden. Weil es nie verstanden wurde, flog es als
unnötiger Ballast über Bord, als sie erwachsen wurden.
Im Jahre 2001 sind 113.724 Personen aus der katholischen Kirche
ausgetreten, 12.460 wurden wieder aufgenommen oder traten aus anderen
Glaubensgemeinschaften über. Also auf einen, der (wieder) eintritt,
kommen etwas mehr als neun, die austreten...
Das ist die Situation. Wir Christen erscheinen als verlorenes Häufchen
mitten in einer Welt, die immer mehr ungläubig wird.
Warum sollte man sich in dieser
Situation für den Glauben interessieren?
Wegen der Kirche? Dem Papst?
Dieser alte gebückte Mann mag ja manchem imponieren in seiner
Zähigkeit und Willenskraft, in seinem Bemühen um Frieden im Nahen
Osten oder um die Menschenrechte in Kuba - aber seine religiösen
Ansichten? „Indiskutabel", sagen die meisten.
Im Übrigen macht die Kirche mehr durch Skandale von sich reden als
durch positive Nachrichten.
Wegen dieser Kirche glauben? Nein.
Ist der Zustand der Welt vielleicht ein Argument? Genausowenig. Wo sieht
man in dieser Welt die Vorsehung eines „lieben Gottes"? Gewiss
nicht ohne eine gute Brille, die nur die Gläubigen tragen.
Religiöses
Light Food
Auf der anderen Seite: Sind sich
die vielen, die nicht glauben, ihres Unglaubens wirklich so sicher? So
wie der Glaubende heute oft an seinem Glauben zweifelt, so zweifelt
nicht selten der Ungläubige an seinem Unglauben. Ja, man muss fragen:
Gibt es überhaupt viele Ungläubige? Mir scheint, die meisten haben
einfach über weltanschauliche Fragen noch gar nicht viel nachgedacht.
Sie ernähren sich von religiösem Light Food. Man kann sie weder
gläubig noch ungläubig nennen. Sie folgen dem Trend, und der ist heute
gegen das Christentum.
Dass Glauben nicht im Trend
liegt, hat vielleicht auch seine Vorteile. Um gegen den Strom zu
schwimmen, braucht es mehr Mut als mit dem Strom zu schwimmen. Man ist
dann kaum in Gefahr, oberflächlich zu werden. Wer sich sein eigenes
Urteil bildet, imponiert mir mehr als einer, der immer dem Trend
nachläuft.
Glauben Sie nun nicht, ich wolle
alle, die nicht glauben, als gedankenlose Mitläufer hinstellen. Das
wäre natürlich falsch. Ich meine nur, dass viele Menschen sich über
Fragen der Weltanschauung herzlich wenig Gedanken machen. Und viele
irgendwo zwischen Glauben und Unglauben angesiedelt sind.
Meine
Favoriten
Das wären eigentlich die
Gesprächspartner, die ich mir vorstelle. Dieser „Schnupperkurs"
ist nicht für Kirchenchristen gedacht. Die haben genug andere
Gelegenheiten. Sondern für Menschen, die der Kirche fernstehen, die
aber mit ihrer Weltanschauung noch nicht fertig sind, die nicht
überzeugt sind, das Ei des Kolumbus schon gefunden zu haben. Die eine
unbestimmte Sehnsucht haben nach mehr.
Ich muss wieder an meine
Illustrierte beim Friseur denken. Der Artikel, von dem ich gesprochen
habe, schließt so:
„Manchmal,
wenn ich in fremden Städten bin, suche ich Kirchen auf, es ist, als
hätte ich Sehnsucht danach. Ich komme frühmorgens oder abends, um
alleine zu sein, setze mich auf irgendeine Bank und starre vor mich
hin. Warum ich das mache, weiß ich nicht. Ich höre bloß zu, wie das
Gebäude knirscht, oder wie in meinem Rücken Schritte hallen. Ich
bete nicht. Ich bin bloß knapp davor, merke, wie meine Lippen Sätze
bilden wollen, von denen ich nicht weiß, wie sie sich anhören
würden. Ich stehe immer zu früh auf und gehe wieder, an den Kreuzen,
den Kerzen, den Opferstöcken und den letzten Christen vorbei auf die
Straße hinaus in mein gottloses Leben."
Geht’s Ihnen auch manchmal so?
Ihr
Karl Neumann
karlneumann@glaubensinformation.de |